Wein

Auf Sardinien wurde Wein nachweislich schon 1000 Jahre vor Christus angebaut (Funde im Nuraghe „Sa Osa“ bei Cabras in der Provinz Oristano). Einige Jahrhunderte später wurde Wein aus Sardinien bereits exportiert – von punischen Schiffen. Sardinien gehört also zu den ganz frühen Wiegen jener Kunst der Weinbereitung, die sich langsam, im Laufe der Jahrtausende, in Europa und bis heute weltweit ausgebreitet hat.

Traubenkerne aus nuraghischer Zeit. (Bild: Museo Civico Giovanni Marongiu, Cabras) – Steinerne Kelter aus der Nuragensiedlung Bia de Monti bei Monastir. (Bild: Monumenti aperti)

Die Entwicklung der Weinerzeugung ist stets mit der Entwicklung anderer kultureller Leistungen eines Landes einhergegangen. In der Tat spielt Wein seit jeher eine bedeutende Rolle im rituellen, religiösen und ganz allgemein im sozialen Leben. Es ist deshalb nicht weiter verwunderlich, dass die Insel Sardinien, auf der die Geschichte oft andere Wege gegangen ist als auf dem italienischen Festland, eine ausgesprochen eigenständige und charakteristische Weinkultur entwickelt hat und auch über einen großen Reichtum an autochthonen Rebsorten verfügt. Rebsorten, die vielfach bis heute nur in Sardinien anzutreffen sind.

Unter autochthonen Rebsorte versteht man Reben, die seit mindestens 300 Jahren in einer bestimmten Region heimisch sind. In Sardinien gibt es verschiedene Rebsorten, die vermutlich vor tausenden von Jahren auf der Insel selbst entstanden sind, wie z.B. die weißen Sorten „Nuragus“ oder „Vernaccia di Oristano“. Von anderen autochthonen Rebsorten kennt man ihre geschichtliche Herkunft, wie z.B. bei der Rebe „Monica di Sardegna“, die im Mittelalter von Mönchen eingeführt worden ist, bei der Rebe „Malvasia“, die byzantinische Besatzer eingeführt haben oder bei der weißen Sorte „Vermentino“, die unter der pisanischen Herrschaft erstmals in Sardinien auftaucht. Bei anderen Rebsorten ist die Herkunft nicht unumstritten, wie z.B. im Fall der vielleicht bekanntesten sardischen Rebsorte „Cannonau“: Stammt sie aus Spanien oder ist sie umgekehrt um das Jahr 1300 in Sardinien entdeckt und später Spanien eingeführt worden?

Cannonau-Reben im Weingut Perda Rubia (Bild: Perda Rubia)

Zu diesem unverwechselbaren Traubenmaterial, das die sardischen Weine kennzeichnet, kommt als einflussreicher Faktor die mediterrane Lage hinzu und das stets ventilierte, milde Inselklima (mit trockenem Sommer und mildem Winter). Das Klima wird auf dieser relativ großen Insel durch ganz unterschiedliche Landstriche, variierende Höhenlagen und verschiedene Böden moduliert. Es gibt hügelige Gegenden mit Schwemmlandboden wie die Marmilla, Trexenta oder Parteolla im Süden, aber auch eher gebirgige Lagen (mit Granit- oder Kalkhaltigen Böden) wie z.B. im Mandrolisai oder in Teilen der Ogliastra im Osten und der Gallura im Norden. Und natürlich herrschen in küstennahen Ebenen wie z.B. im „Valle del Tirso“ bei Oristano oder in der „Nurra“ bei Alghero wieder ganz andere Verhältnisse. Die gleiche Rebsorte kann, in so abwechslungsreichen Landschaften angebaut, zu sehr verschiedenartigen Weinen führen – was zur Vielfalt der sardischen Weine beiträgt.

Wein- und Olivengärten im südlichen Campidano. – Weingärten bei Mamoiada. (Bilder: Peter Berg)

Man sollte sich bei der Beurteilung bestimmter Weine zwar immer auf den eigenen Geschmack und Eindruck verlassen, es gibt aber auch ein offizielles Klassifikations-System, das dem Weintrinker wichtige Orientierungshilfen gibt. Was einfach als „Vino rosso“  oder „Vino bianco“  klassifiziert ist, kann – aber muss nicht unbedingt aus Sardinien stammen; selbst wenn die Traubensorte und/oder der Jahrgang angegeben ist. Erst bei einem Wein, der als Indicazione Geografica Protetta bzw. Indicazione Geografica Tipica (IGP bzw. IGT) aus Sardinien ausgewiesen ist, kann man mit Sicherheit von dieser Herkunft ausgehen. In Sardinien gibt es aktuell (2020) 15 IGP/IGT-Kategorien: Die allgemeinste ist „Isola dei Nuraghi“, andere wie „Colli del Limbara“ oder „Romangia“ sind enger eingegrenzt. Jede Kategorie gibt auch gewisse Mindestanforderungen zu Eigenschaften und zur Verarbeitung des Weins vor. Noch genauer als IGP/IGT ist (im Allgemeinen) die Denominazione di Origine Controllata (DOC), und als anspruchsvollste Kategorie gilt die Denominazione di Origine Controllata e Garantita (DOCG). In Sardinien gibt es derzeit 17 DOC und eine DOCG.

Sardiniens DOCG und DOC (Quelle: Federdoc)

Nun sind Wein-Klassifizierungen keine Naturgegebenheiten, sondern sie sind von Menschen für Menschen gemacht. Dabei können in jeder italienischen Weinbauregion die interessierten Weinbauverbände, Konsortien usw. eine neue DOCG, eine DOC oder IGT-Kategorie vorschlagen. Der Vorschlag wird dann vom Ministerium geprüft und muss auch auf europäischer Ebene genehmigt werden. Angesichts der langfristigen Harmonisierungsbestrebungen der EU lässt sich auch für die Italienischen Klassifizierungen sagen, dass sie einer langsamen Evolution unterworfen sind und auch in Zukunft noch einige Änderungen zu erwarten sind.

Einige sardische DOC-Regeln betonen die Rebsorte (nach der die DOC dann benannt wird) und weniger die ganz bestimmte Weinlandschaft, in der der Wein typischerweise angebaut wird. Viele DOC-Bezeichnungen verbinden die Rebsorte jedoch mit einer Landschaftsbezeichnung: Das ist z.B. bei „Carignano del Sulcis“ der Fall oder bei „Malvasia di Bosa“ oder „Vernaccia di Oristano“ usw. Vier große sardische DOC – „Cannonau“, „Monica“, „Vermentino“ und „Moscato“ – lauten aber auf die gemeinsame Formel „di Sardegna“. Das heisst, der betreffende Wein kann in ganz Sardinien angebaut werden – auch dort, wo die Rebe vielleicht nicht so gut gedeiht und auch keine Tradition dafür besteht. Wichtig ist bei diesen vier DOC, dass der betreffende Wein zumindest zu 85% (Moscato: 90%) aus Trauben der namengebenden Rebsorte gewonnen wird. Beim Cannonau di Sardegna DOC gibt es drei mögliche Zusatzbezeichnungen, die auf das spezifische Anbaugebiet verweisen: Oliena (oder Nepente di Oliena), Capo Ferrato und Jerzu. Bei Vermentino hingegen gibt es eine klare Unterscheidung zwischen dem Vermentino di Sardegna DOC, der auf der ganzen Insel angebaut werden kann, und dem Vermentino di Gallura DOCG, der nur in einem festumschriebenen Gebiet im Nord-Osten der Insel angebaut (und abgefüllt) werden darf.

Vermentino di Gallura ist immer mit der DOCG-Banderole gekennzeichnet. (Bild: Peter Berg)

Vor Einführung der verschiedenen Klassifizierungen und noch bis in die 70er/80er–Jahre des 20. Jahrhunderts hinein wurden in Sardinien vorwiegend alkoholreiche, zum Teil als Deckweine verwendete oder als Aperitivweine oder Dessertweine ausgebaute Weine erzeugt. (An diese Zeiten erinnert der alte Begriff vom „Südwein“.) Mit dem Einzug moderner Anbau- und Vinifizierungsmethoden und mit dem Einsatz moderner Önologietechnik ist es etwa ab den 80er-Jahren gelungen, aus dem ausdrucksstarken Rohmaterial der sardischen Trauben hochinteressante trockene Rot- und Weißweine zu gewinnen, die auch im Alkoholgehalt nicht mehr so hoch lagen.

Um genau diese Weine geht es heute im Export – abgesehen von wenigen Ausnahmen. Allerdings war die Differenzierung und Anhebung des Qualitätsniveaus in den letzten 40 Jahren verbunden mit einem sukzessiven Rückgang der produzierten Menge. Noch 1980 waren rund 70 000 Hektar Rebfläche auf der Insel registriert. Diese Fläche (und damit die Produktion) haben sich inzwischen auf etwa ein Drittel reduziert. Rodungsprämien der EU, die der europäischen Weinüberproduktion entgegenwirken sollten, haben dabei eine wichtige Rolle gespielt. Sardinien ist heute eine der italienischen Regionen mit eher geringer Produktionsmenge und liegt weit hinter einer Region wie etwa Sizilien, die rund achtmal so viel Wein produziert. Auch Anzahl und Struktur der Produktionsbetriebe hat sich in Sardinien drastisch verändert. Wenn in den 70er Jahren rund zwei Dutzend Genossenschaftskellereien den Ton angegeben haben und es nur wenige nennenswerte private Erzeuger gab, so hat sich das Bild inzwischen umgekehrt: Es gibt deutlich weniger Genossenschaftskellereien und sehr viel mehr private Hersteller, meist mittlerer und kleiner Dimension. Die Anzahl aller professionellen sardischen Weinbaubetriebe hat die 100 überschritten – und es werden immer mehr. Denn: die sardischen Weine finden mit ihrer starken Identität und Individualität und dank steigender Qualität immer mehr Anklang auf den internationalen Märkten.

Weingärten der Cantina Giba im Frühjahr. (Bild: Cantina Giba)

Die Anzahl kleiner und großer Betriebe, die eine Vorreiterrolle übernommen haben und mit mutigen Investitionen und Kreationen den Sprung in die Spitzenklasse der italienischen Weinproduktion geschafft haben, nimmt zu. Es handelt sich bei diesen prämierten Weinen meistens um Cannonau, Carignano oder Vermentino – oder um bestimmte Cuvées bzw. Marken. Daneben gibt es – nach wie vor – herausragende sardische Weine aus der langen Tradition der Aperitif-Weine oder der edelsüßen Meditationsweine, die aus aromatischen Rebsorten wie Moscato, Malvasia, Nasco, Girò oder Vernaccia gekeltert werden und die im Laufe der Jahre etwas aus der Mode gekommen sind. Obwohl sie Weltklasseniveau erreichen, sind sie derzeit nicht so gefragt – aber solche Dinge können sich auch schnell wieder ändern.

Der einzige DOCG-Wein aus Sardinien

Vermentino di Gallura

Die 17 DOC-Weine aus Sardinien

Alghero
Arborea
Cagliari
Campidano di Terralba
Cannonau di Sardegna
Carignano del Sulcis
Girò di Cagliari
Malvasia di Bosa
Mandrolisai
Monica di Sardegna
Moscato di Sardegna
Moscato di Sorso-Sennori
Nasco di Cagliari
Nuragus di Cagliari
Sardegna Semidano
Vermentino di Sardegna
Vernaccia di Oristano

Die 15 IGP- bzw. IGT-Weine aus Sardinien

Barbagia
Colli del Limbara
Isola dei Nuraghi
Marmilla
Nurra
Ogliastra
Parteolla
Planargia
Provincia di Nuoro
Romangia
Sibiola
Tharros
Trexenta
Valle del Tirso
Valli di Porto Pino

Unsere Weinerzeuger